Biologische Wirktests - Überblick

Biologische Wirktests (Bioassays) können Wirkungen von Schadstoffen unter Laborbedingungen erfassen. Dazu zählen unter anderem Wirkungen auf Zellen, auf das Erbgut oder auf Hormonrezeptoren.

Foto Biologischer Wirktest

Problematik

Im europäischen Gewässerschutz basieren ökotoxikologische Risikobewertungen nach wie vor meist auf der Bewertung von Einzelstoffen und deren Nachweis mittels chemischer Einzelanalytik. Seit einigen Jahren steigt aber das Verständnis dafür, dass dieser klassische Ansatz mehreren Limitierungen unterliegt. Gründe dafür liegen vor allem in der großen Anzahl an verschiedenen Substanzen, von denen nur eine begrenzte Zahl einer Regulierung oder Überwachung unterliegen. Auch wirtschaftliche Überlegungen spielen hier eine Rolle, denn die Anzahl an Substanzen, die durch den einzelanalytischen Nachweis kostengünstig überwacht werden kann, ist per se sehr begrenzt.

Manche Schadstoffwirkungen wurden in der Vergangenheit dokumentiert, lange bevor man sie den verursachenden Chemikalien zuordnen konnte. Beispielsweise wurden einige ökotoxikologisch relevante Substanzen - wie etwa Dichlordiphenyltrichlorethan (DDT), polychlorierte Biphenyle (PCB) oder Tributylzinn (TBT) - rückwirkend identifiziert, nachdem ihre schädlichen Effekte auf Populationen und Ökosysteme beobachtet worden waren. Diese Stoffe wurden also nicht durch proaktive Risikobewertungen als besorgniserregend eingestuft, sondern ihre gefährlichen Eigenschaften wurden rückwirkend ermittelt. Durch eine systematischere Überwachung der Auswirkungen könnten möglicherweise weitere bedenkliche Stoffe entdeckt werden, die eine potenzielle Bedrohung für ökologische Systeme und die menschliche Gesundheit darstellen könnten. Auf diese Weise können Bioassays etwa eine mögliche Hormonaktivität einer Gewässerprobe erfassen, um anschließend die zugrundeliegenden Chemikalien zu identifizieren.

Sogenannte Mikroverunreinigungen liegen zwar in sehr geringen Konzentrationen vor, können aber dennoch schädliche Wirkungen auf Umweltorganismen haben. Es konnte gezeigt werden, dass Mischungen von Stoffen mit ähnlicher Wirkweise auch dann biologische Effekte auslösen können, wenn die Konzentrationen jeder Einzelsubstanz unterhalb der Nachweisgrenze einer analytischen Methode liegen.

Außerdem können aufgrund von komplexen Wechselwirkungen Mischungseffekte auftreten. Diese lassen sich aus den Wirkungen der Einzelsubstanzen nicht unbedingt ableiten, da sie sich nicht nur aus additiven, sondern auch aus synergistischen oder antagonistischen Wirkungen der einzelnen Komponenten ergeben. Durch Verstoffwechslung in Zielorganismen können weitere toxische Stoffe entstehen. Die Zusammensetzung solcher Proben kann allein mittels Einzelstoffanalytik nicht umfassend erfasst und ihre Wirkung nicht abgeschätzt werden. Gerade das Beispiel Trinkwasser macht die Problematik deutlich, da hier die Konzentrationen von Chemikalien meist unter der Nachweisgrenze liegen, was nicht bedeuten muss, dass ihre Mischungstoxizität zu vernachlässigen ist.

Effekt-basierte Analysenmethoden (Bioassays)

Eine Möglichkeit, diese Einschränkungen zu überwinden, ist der Einsatz von Effekt-basierten Analysenmethoden. Diese messen die biologische Gesamtwirkung einer Umweltprobe im Hinblick auf eine bestimmte Wirkung.

Es gibt verschiedene Ansätze, die Wirkung von Chemikalien auf biologische Systeme zu untersuchen. Eine Möglichkeit ist es, unter definierten Laborbedingungen die Effekte von Substanzen oder Umweltproben auf einzelne Zellen (in vitro) oder auch ganze Organismen (in vivo) zu untersuchen. Grundsätzlich steht eine beachtliche Anzahl ausgereifter Effekt-basierter Methoden zur Verfügung, welche teilweise bereits nach internationalen Standards validiert sind. Allerdings wird ihre Anwendung in Europa bisher nur vereinzelt gesetzlich vorgeschrieben.

Grundsätzlich gibt es zwei Arten von Bioassays: Bei In-vivo-Tests nutzt man ganze Organismen wie etwa Fische, Algen und Daphnien (Wasserflöhe) und untersucht die Effekte auf biologische Funktionen wie z.B. Sterblichkeit oder Vermehrung. Sie erfassen die Auswirkungen aller Stoffe in einer Wasserprobe oder Abwasserprobe, geben allerdings keine Informationen über die verantwortlichen Stoffe.

Die sogenannten In-vitro-Tests basieren auf dem Nachweis spezifischer molekularer Vorgänge in Zelllinien oder in einzelligen Organismen, wie die Bindungen von Stoffen an deren Rezeptor. In-vitro-Tests zeigen nur sehr begrenzt, wie Substanzen auf ganze Organismen wirken, können aber Chemikalienklassen wie zum Beispiel Substanzen mit östrogener oder gentoxischer Wirkung hochsensitiv nachweisen.

In vitro-Testsysteme

In-vitro-Tests weisen unerwünschte biologische Wirkungen auf molekularer Ebene nach, z. B. die Aktivierung eines zellulären Rezeptors oder Signalwegs, die Induktion oder Hemmung einer spezifischen enzymatischen Aktivität oder die Mutation einer DNA-Sequenz.

Es steht eine breite Auswahl an Zellsystemen unterschiedlichen Ursprungs zur Verfügung. Die Verwendung von Hefe hat den Vorteil der einfachen Kultivierung und die Abwesenheit endogen produzierter Hormone. Für die Verwendung von tierischen Zellen, z.B. Säugerzellen, spricht allerdings deren engere Verwandtschaft mit den Zellen von Menschen. Insbesondere aufgrund der Permeabilität der Zellmembranen und des Zellstoffwechsels sind Ergebnisse von Tests mit tierischen oder menschlichen Zellen für viele toxikologische Fragestellungen aussagekräftiger.

In vitro-Bioassays

Die am Umweltbundesamt angewendete Methode, der CALUX®-Assay (Chemically Activated Luciferase eXpression), kann für die Beurteilung von Gewässern herangezogen werden und stellt einen ersten Schritt zu einer integrativen Beurteilung der Wasserqualität dar. Mit diesem System können eine Vielzahl an möglichen Wirkungen quantifiziert werden, darunter fallen DNA-Schäden, oxidativer Stress aber auch die Zytotoxizität oder die Bindung eines in der Umwelt vorkommenden Stoffes an einen Rezeptor.

Der CALUX®-Assay basiert auf Säugetierzellen und verwendet Luciferase als Reportergen, welches künstlich in die DNA eingefügt wurde. Bei Bindung eines Rezeptors mit einem in der Umwelt vorkommenden Hormon, wird dieser Rezeptor aktiviert, das Reportergen wird abgelesen und Luciferase wird gebildet Die Luciferase setzt ein Substrat um, welches die Zellen veranlasst, umso stärker zu leuchten, je höher die Konzentration des Hormons ist.

Vorteile und Nachteile des In vitro-Bioassays

Vorteile

  • Schnelles, kostengünstiges Screening-Verfahren
  • Hohe Reproduzierbarkeit
  • Wenig Probenmaterial benötigt
  • Kommt ohne Tierversuch aus
  • Misst Effekte, die sich aus der Summe aller Einzelstoffe mit gleicher oder ähnlicher Auswirkung auf Organismen ergeben

Nachteile 

Da es sich beim gemessenen Ergebnis um die Gesamtwirkung unterschiedlicher Substanzen mit gleicher Wirkung auf Organismen handelt, ist es prinzipiell nicht möglich, die nachgewiesene Wirkung einer Probe auf einzelne Komponenten zurückzuführen. Um die Substanzen zu identifizieren, die für den gemessenen Effekt verantwortlich sind, sind weitere Untersuchungen nötig.

Wofür können Bioassays zur Anwendung gelangen?

  • Zur Beurteilung (öko)toxikologischer Wirkungen von einzelnen Substanzen oder der Gesamtwirkung von komplexen Schadstoffmischungen, wie sie meist in Abwasser- und Oberflächengewässern vorliegen, auf Umweltorganismen und den Menschen - unabhängig davon, ob die einzelnen Substanzen bekannt sind.
  • Mit einem einzigen wirkspezifischen Biotest kann man zudem die Kombinationswirkung sämtlicher vorhandener Einzelstoffe mit demselben Wirkmechanismus testen. Dies ist von Vorteil, wenn die Stoffe chemisch-analytisch schwer oder noch nicht analytisch nachweisbar sind.
  • Auch Auswirkungen von nicht routinemäßig analysierten oder noch unbekannten Chemikalien können berücksichtigt werden, z.B. wenn die Ursachen für den Rückgang einer bestimmten Spezies nicht bekannt sind.
  • Zudem können Effekte erfasst werden, die von Umwandlungsprodukten verursacht werden.
  • Zur Erfolgskontrolle, beispielsweise um die Reinigungsleistung einer Kläranlage in Bezug auf Mikroverunreinigungen zu überprüfen (Vergleich vorher/nachher). Damit lässt sich überprüfen, ob die Verfahren nicht nur die Konzentrationen an Spurenstoffen verringern, sondern auch deren Auswirkungen auf Wasserlebewesen.
  • Zur Überwachung von Produkten (durch Leaching, etwa von Lebensmittelkontaktmaterialien)