Im Interview: Sylvia Dellantonio von willhaben

Wie können digitale Tools die weitere Nutzung von gebrauchten Gegenständen unterstützen?

Sylvia Dellantonio, Geschäftsführerin von willhaben

Wie finden gebrauchte Gegenstände heute einen neuen Besitzer?

Digitale Tools sind die Grundvoraussetzung dafür, dass sich Käufer und Verkäufer von gebrauchten Dingen heute sehr schnell und einfach finden können. In Österreich hat sich das Kaufen und Verkaufen von gebrauchten Gegenständen durch Private erst durch willhaben so richtig entwickelt. Vorher gab es fast nur Schwarze Bretter und Kleinanzeigen in Zeitungen. Es war mit einem erheblichen Aufwand verbunden, zu inserieren beziehungsweise das richtige Angebot zu finden. Heute wäre es unmöglich, aus den 9 Millionen Angeboten, die zurzeit über willhaben verfügbar sind, ohne digitale Unterstützung den passenden Gegenstand auszuwählen.

Gibt es einen Trend zum Verkauf bzw. Kauf von nicht mehr benötigten Dingen?

Ja, diesen Trend gibt es auf jeden Fall. Primär ist willhaben daraus entstanden, dass Privatpersonen Dinge wieder verkaufen wollten, um daraus noch einen kleinen Gewinn zu erzielen. Mittlerweile ist der Trend zur Weiter- und Wiedernutzung von Dingen, auch aus Nachhaltigkeitsgründen, viel stärker in den Fokus der Gesellschaft gerückt.

Welche Bevölkerungsgruppen interessieren sich besonders für den Kauf von gebrauchten Gegenständen?

Im Grunde alle. Durch die globalen Entwicklungen rund um Corona haben wir im Frühjahr 2020 zum Beispiel eine besonders starke Nachfrage nach der Infrastruktur für Homeoffice beziehungsweise Unterricht der Kinder zuhause bemerkt. Das ging sehr breit und quer durch sämtliche Bevölkerungs-Gruppen. Besonders oft gesucht in diesen Wochen: Webcams, Headsets, Computermäuse, Notebooks, Drucker und Monitore. Auch rund um Spielekonsolen und die dazugehörigen Spiele gab es großes Interesse. Die Nachfrage nach klassischen Brettspielen, Puzzels oder Lernspielen ist ebenfalls massiv angestiegen. Mein Eindruck ist zudem, dass aber insbesondere Menschen zwischen 20 und 35 Jahren eine geringere Hemmschwelle haben, genutzte Gegenstände weiter zu verwenden. Für sie ist es alltäglich, gebrauchte oder neue Dinge zu kaufen, für eine begrenzte Zeit zu nutzen und dann weiter zu verkaufen. Viele überlegen schon beim Kauf von neuen Gegenständen einen qualitativ höheren Einkauf (zum Beispiel Kinderwägen), um diesen Gegenstand nach ein bis zwei Jahren auf willhaben besser weiter verkaufen zu können. Dadurch ist für sie der Besitz von vielen hochwertigen Produkten möglich, denn man muss nicht den vollen Preis alleine tragen. Mit unserem neuen Service „Paylivery“, das seit Sommer 2020 genutzt werden kann, ist es auch möglich, Käufe kontaktlos mit Online-Zahlung und print-at-home Versandetikett direkt auf der Plattform abzuschließen. Das bietet Käuferschutz und eine praktische Geld-zurück-Garantie und macht die Nutzung von willhaben für viele Menschen noch attraktiver.

Nutzt willhaben schon neue digitale Technologien, wie z. B. Artificial Intelligence, um das Suchen und Finden von Angeboten zu erleichtern?

Artificial Intelligence wird bereits als Technologie „Picture recognition“ angewendet. Die Algorithmen helfen, aus dem riesigen Angebot die passendsten Suchergebnisse heraus zu filtern. Man kann sich über ein Bild eines Gegenstandes optisch ähnliche Anzeigen suchen lassen. Das funktioniert in vielen Bereichen bereits sehr gut und wird auch genutzt, sobald die KundInnen die Funktionalität kennen gelernt haben.

Arbeiten Sie mit aktiven Kundenvorschlägen, wie: „Kunden wie Sie interessiert auch …“?

Nein, wir arbeiten derzeit nicht mit Vorschlagssystemen. Ganz im Gegenteil, wir versuchen unseren Kunden, die sich oft nur für gewisse Produktgruppen interessieren, bewusst die große Breite von willhaben vorzustellen.

Sehen sie potentiell unerwünschte Effekte aus Nachhaltigkeitssicht auf die es zu achten gilt?

Aus unserer Sicht sind so gut wie alle Effekte rund um Nachhaltigkeitsbemühungen sehr positiv. Egal, ob es große gesellschaftliche Entwicklungen sind oder auch kleine Veränderungen, Handlungen und Initiativen im höchst persönlichen Bereich. Da setzt auch willhaben konkret an: Dinge, denen man ein zweites Leben schenkt, müssen einfach nicht neu erzeugt werden. Dass rund um unsere Umwelt und Nachhaltigkeit immer mehr auf bewusstes Handeln geachtet wird, ist also in jeder Hinsicht positiv.

 

willhaben ist mit mehr als 6 Millionen Anzeigen der größte digitale Marktplatz Österreichs. Hauptziel der Onlineplattform ist es, Dingen ein zweites Leben zu geben.

 

Das Interview führte Tanja Gottsberger, Umweltbundesamt-Expertin für nachhaltigen Konsum.