Ökologische Langzeitforschung

Die ökologische Langzeitforschung – LTER (Long-term Ecosystem Research) – leistet einen wichtigen Beitrag, wenn es darum geht, Ökosysteme besser verstehen zu lernen.

Foto Messstation Zöbelboden

Auf der ganzen Welt arbeiten WissentschaftlerInnen daran, neue Erkenntnisse über Struktur und Funktionen von Ökosystemen aber auch über deren langfristige Reaktionen auf Umwelteinflüsse und sogenannte soziale und ökonomische „Driver“ zu gewinnen. LTER liefert wertvolle Informationen für politische EntscheidungsträgerInnen und trägt zur Entwicklung von Management-Optionen als Antwort auf die Herausforderungen des globalen Wandels bei.

Der Grundstein für ökologische Langzeitforschung wurde in Österreich mancherorts bereits im späten 19. Jahrhundert gelegt. Damals standen vor allem Gebirgsökosysteme im Zentrum des Interesses, Beobachtung und Forschung konzentrierten sich auf meteorologische Parameter und Vegetation. Im Laufe der Zeit änderten sich sowohl die Anforderungen an Umweltbeobachtung und –forschung als auch die technischen Möglichkeiten. In den 1980er- und 1990er-Jahren beschäftigte das Waldsterben in Europa Politik und Gesellschaft. Um die langfristigen Auswirkungen von Luftschadstoffen auf Land- und Süßwasserökosysteme zu erkennen und vorherzusagen, begann man mit dem Aufbau von modernen Messeinrichtungen zur integrierten Ökosystembeobachtung auf geeigneten Untersuchungsflächen. Das Umweltbundesamt betreibt seit 1992 einen solchen Standort. LTER Zöbelboden, mittlerweile das best-untersuchte Karst-Waldökosystem Europas, liegt im Gebiet des Nationalpark Kalkalpen im Reichraminger Hintergebirge in Oberösterreich.

Die Datenreihen aus der Umweltbeobachtung, die an manchen LTER Standorten bis in die 1920er-Jahre zurückreichen, bilden die Grundlage für die Untersuchung von langfristigen Prozessen in Ökosystemen. So stehen der Einfluss des Klimawandels und die Auswirkungen von Extremereignissen seit mehr als einem Jahrzehnt im Fokus der Forschung. Die gewonnenen Erkenntnisse fließen unter anderem in die Entwicklung von Zukunftsszenarien ein.

Ökosystemare Umweltbeobachtung am Zöbelboden

LTER-Austria

Die österreichische Gesellschaft für ökologische Langzeitforschung – LTER-Austria – vereint TrägerInnen und BetreiberInnen von Infrastruktur zur ökologischen Langzeitforschung sowie eine Vielzahl an WissenschaftlerInnen, die in diesem Forschungsbereich tätig sind. Das nationale LTER Netzwerk wurde 2002 gegründet, um die Aktivitäten der LTER Community abzustimmen und ihre Interessen zu vertreten. Es umfasst 36 LTER Standorte und drei Plattformen für sozio-ökologische Langzeitforschung (LTSER). Einer dieser Standorte ist LTER Zöbelboden im Nationalpark Kalkalpen, der seit 1992 vom Umweltbundesamt betrieben wird.

Karte Standorte LTER Austria

Das Sekretariat von LTER-Austria ist seit 2013 im Umweltbundesamt angesiedelt. Selbiges gilt für die wissenschaftliche und strategische Koordination des Netzwerks. Ihr Schwerpunkt liegt in den kommenden Jahren auf der Organisation und Abstimmung der nationalen Aktivitäten zum Aufbau einer Europäischen Forschungsinfrastruktur für ökologische Langzeitforschung (eLTER RI), die das European Strategy Forum on Research Infrastructures (ESFRI) im Herbst 2018 auf seine Roadmap gesetzt hat. Hoch-instrumentierte LTER Standorte, wie der Zöbelboden, werden das Netzwerk von eLTER RI bilden und von ForscherInnen aus ganz Europa genutzt werden können.

LTER-Austria

LTER-Austria White Paper 2015

eLTER RI

Aus der Region für die Region - Sozio-ökologische Langzeitforschung

Die sozio-ökologische Langzeitforschung – LTSER (Long-term Socio-ecological Research) beschäftigt sich mit den Beziehungen zwischen Mensch und Umwelt. LTSER kombiniert soziale, wirtschaftliche und nutzungsgeschichtliche Aspekte mit der klassischen ökologischen Langzeitforschung. Langfristige Veränderungen im Zusammenspiel von sozio-ökonomischen und ökologischen Systemen und deren Wechselwirkungen mit dem globalen Wandel werden erforscht. LTSER betrachtet ganze Regionen, die naturräumliche, kulturelle und nutzungsgeschichtliche Einheiten darstellen. Landschaften und ihre vielfältigen Wechselwirkungen zwischen Gesellschaft und Natur werden unter die Lupe genommen.

Grafik Interaktion Gesellschaft und Natur

Mit dem Konzept der LTSER Plattformen, an dessen Entwicklung Experten des Umweltbundesamt maßgeblich beteiligt waren, wurde der Grundstein für eine neue Art von Forschungsinfrastruktur gelegt. LTSER Plattformen sind regionale Cluster von Forschungseinrichtungen und -projekten, die intern abgestimmt und vernetzt sind. Sie bieten einen Raum für den Austausch von Informationen und Kooperationen unterschiedlichster Fachgebiete sowie zwischen ForscherInnen und AnwenderInnen. Fragestellungen von regionaler Relevanz werden so weit wie möglich in Forschungsprojekte integriert. Die Ergebnisse fließen zurück in die Region, wo sie zur nachhaltigen Entwicklung beitragen können.

LTSER Plattform Eisenwurzen

Im Jahr 2004 begannen ExpertInnen am Umweltbundesamt mit dem Aufbau der LTSER Plattform Eisenwurzen. Sie umfasst mit 91 Gemeinden einen Raum von rund 5.904 km² im Grenzbereich der Bundesländer Oberösterreich, Niederösterreich und Steiermark und reicht von den nördlichen Kalkalpen bis ins nördliche Alpenvorland. Erzgewinnung und -verarbeitung waren über Jahrhunderte der wirtschaftliche Motor, heute sind Tourismus und Landwirtschaft die Haupteinnahmequellen in der Region. Seit dem Niedergang des Bergbaus zählen Verwaldung und Abwanderung in Teilen der Eisenwurzen zu den größten Herausforderungen für die Regionalentwicklung.

Die Basis der LTSER Plattform Eisenwurzen bilden 12 LTER Standorte, darunter der Zöbelboden, die verschiedene Lebensraumtypen, wie Grünland, Ackerland, Wald, Gewässer etc. abdecken. Daneben zählen zahlreiche weitere Einrichtungen und InteressensvertreterInnen zu den Partnern der Forschungsplattform. Sie stammen vorwiegend aus dem Forschungs- und Bildungsbereich sowie aus der Regionalentwicklung. Aber auch die politische Ebene ist in der LTSER Plattform vertreten.

Karte LTSER Standorte

Beim zentralen Management am Umweltbundesamt laufen alle Fäden zusammen. Es agiert als Informationsdrehscheibe an der Schnittstelle zwischen Forschung und Region und vertritt die Interessen der LTSER Plattform auf nationaler und internationaler Ebene. Auch technische Aspekte, wie Datenstrategie und Informationssystem oder die Formalisierung der Forschungsplattform fallen in den Aufgabenbereich des Managements.

LTSER Plattform Eisenwurzen

Memorandum of Understanding zur LTSER Plattform Eisenwurzen

Unterstützungserklärung zum Memorandum of Understanding

LTER Informationsmanagement

Im Informationsmanagement-System DEIMS-SDR (Dynamic Ecological Information Management System - Site and Dataset Registry) sind LTER Standorte auf der ganzen Welt dokumentiert, ebenso die an diesen Standorten erhobenen Daten und die damit in Verbindung stehenden Personen und Netzwerke. DEIMS-SDR zeigt die große Vielfalt an LTER Standorten auf und bietet eine Fülle an Informationen zu jedem einzelnen, wie beispielsweise Lage, untersuchtes Ökosystem, Ausstattung und Instrumentierung, erhobene Parameter oder Forschungsthemen. Zudem bietet das System Zugang zu einer stetig wachsenden Zahl an Datensätzen konkreter Messdaten und Datenprodukten der Standorte.

Die ExpertInnen des Umweltbundesamt sind seit 2016 maßgeblich an Konzeption, Aufbau und Weiterentwicklung von DEIMS-SDR beteiligt. Seit 2019 wird das Informationsmanagement-System zur Gänze vom Umweltbundesamt betrieben.

Karte LTER DEIMS Weltkarte

Die sorgfältige Eingabe und laufende Aktualisierung der Informationen in DEIMS macht sich für die verantwortlichen Standort ManagerInnen bezahlt: sie profitieren durch die bessere Sichtbarkeit der LTER Standorte, LTSER Plattformen und Datensätze, was wiederum beim Lukrieren von Mittel für weitere Investitionen hilfreich sein kann. Zudem können alle Standorte und Datensätze über eigens generierte eindeutige, auflösbare und persistente, Identifier referenziert werden.

DEIMS-SDR

Foto Messstelle am Zöbelboden
Foto Stammablaufsammler im Wald

LTER rund um den Globus

LTER Standorte gibt es auf der ganzen Welt, die meisten davon sind Teil des globalen LTER Netzwerks ILTER. So verhält es sich auch mit den Standorten und LTSER Plattformen von LTER-Austria, die nicht nur der österreichische Beitrag zu ILTER sondern auch zur Regionalgruppe LTER-Europe sind.

Als nationales Netzwerk ist LTER-Austria in den strategischen und konzeptiven Rahmen von ILTER eingebunden und beteiligt sich an gemeinsamen Initiativen und Aktivitäten. Das gilt beispielsweise für die Entwicklung und Anwendung methodischer Standards oder technischer Werkzeuge, in die die ExpertInnen am Umweltbundesamt laufend involviert sind.

Zudem gibt es in der europäischen Forschungslandschaft eine Reihe von Projekten, die nicht zuletzt im Hinblick auf die LTER Forschungsinfrastruktur der EU (eLTER RI) verschiedene Aspekte methodischer, technischer und organisatorischer Natur behandeln, wie beispielsweise ENVRIplus, ENVRI-FAIR, eLTER H2020, eLTER PLUS oder eLTER PPP. Neben ForscherInnen verschiedener österreichischer Institutionen arbeiten auch die ExpertInnen des Umweltbundesamt, teils in leitender Rolle, in diesen Projekten mit.

eLTER RI