Rechtliches

Wie sind endokrin schädigende Stoffe derzeit in der EU und in Österreich geregelt?

Derzeit gibt es einige Regelwerke auf EU-Ebene, die sich explizit mit endokrin schädigenden Stoffen beschäftigen: Dies sind beispielsweise die Chemikaliengesetzgebung REACH, die Pflanzenschutzmittel-Verordnung, die Biozidprodukte-Verordnung, die Verordnung über kosmetische Mittel, die Wasserrahmenrichtlinie und unter bestimmten Voraussetzungen die Regelung für humane Arzneimittel. Dieses EU-Recht gilt auch in Österreich.

In der Chemikaliengesetzgebung REACH wird derzeit die Definition der Weltgesundheitsorganisation WHO verwendet, um Stoffe als endokrine Disruptoren für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt zu identifizieren: Die Daten müssen ausreichend aussagekräftig sein, um eine Schädigung nachzuweisen, die auf nachvollziehbare Weise durch den Eingriff in den Hormonhaushalt erfolgt ist.

WHO - International Programme on Chemical Safety

Derzeit sind unter REACH einige Stoffe als endokrine Disruptoren identifiziert und Teil der sogenannten Kandidatenliste. In Folge dieser Identifikation kommt es zu erhöhten Informationspflichten seitens der Hersteller, Importeure und Händler in der Lieferkette sowie gegenüber KonsumentInnen.

Zudem kann ein Stoff für die Zulassungspflicht priorisiert werden: Dann muss der Hersteller oder Importeur einen Antrag stellen, um den Stoff mit zeitlicher Begrenzung weiterverwenden zu können. Ziel dieser Maßnahmen ist, dass diese Stoffe durch weniger bedenkliche Stoffe ersetzt werden. REACH

Ein weiteres Instrument unter der Chemikaliengesetzgebung REACH ist die Beschränkung: Hier kann die Verwendung von Stoffen in einzelnen bis allen möglichen Bereichen bzw. Produktgruppen beschränkt oder verboten werden.

Im geltenden EU-Pflanzenschutzmittel- und Biozidprodukterecht können Wirkstoffe mit endokrin schädigenden Eigenschaften nur in Ausnahmefällen zugelassen werden.

Im Rahmen der Biozidprodukte-Verordnung wurden wissenschaftliche Kriterien zur Identifizierung endokriner Disruptoren von der Europäischen Kommission bereits verabschiedet und am 17.11.2017 in Form eines delegierten Rechtsakts publiziert. Diese sind seit 7. Juni 2018 anzuwenden.

Im Rahmen der Pflanzenschutzmittel-Verordnung wurden am 19.4.2018 wissenschaftliche Kriterien zur Identifizierung endokriner Disruptoren von der Europäischen Kommission in Form einer Durchführungsverordnung publiziert. Diese sind ab 10.11.2018 anzuwenden.

Laut Medizinprodukte-Verordnung dürfen bestimmte Medizinprodukte, Stoffe mit endokrin wirkenden Eigenschaften, die nach wissenschaftlichen Erkenntnissen wahrscheinlich schwerwiegende Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit haben, nur in einer Konzentration bis zu 0,1 % Massenanteil enthalten. Bei einer Konzentration über 0,1% Massenanteil ist eine spezielle Rechtfertigung notwendig.

Die Kosmetik-Verordnung sieht vor, dass die EU-Kommission diese Verordnung hinsichtlich Stoffen mit endokrin wirksamen Eigenschaften bis spätestens 2015 zu überprüfen hätte. Bisher hat die EK unter Verweis auf die laufende Kriterien-Entwicklung in den Bereichen Biozidprodukte und Pflanzenschutzmittel noch keinen diesbezüglichen Entwurf vorgelegt.

Am 7. November 2018 veröffentlichte die Europäische Kommission die Mitteilung Towards a comprehensive European Union framework on endocrine disruptors. In dieser Strategie bekräftigt die Kommission ihr Bekenntnis, Bürgerinnen und Bürger sowie die Umwelt vor gefährlichen Chemikalien zu schützen.

Am 14. Oktober 2020 verabschiedete die Europäische Kommission die EU-Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit. Zu endokrinen Disruptoren sind folgende Maßnahmen geplant: 

  • Vorschlag der Einführung einer rechtsverbindlichen Gefahrenkennzeichnung für endokrine Disruptoren auf der Grundlage der Begriffsbestimmung der WHO, die auf bereits für Pestizide und Biozide erarbeiteten Kriterien aufbaut und für alle Rechtsvorschriften gilt
  • Gewährleistung, dass endokrine Disruptoren, sobald sie als solche erkannt werden, für Verbraucherprodukte verboten werden und nur dann verwendet werden dürfen, wenn sie nachweislich für die Gesellschaft unverzichtbar sind
  • Stärkung des Schutzes von Arbeitnehmern, indem endokrine Disruptoren als eine Kategorie von sehr besorgniserregenden Stoffen in die REACH-Verordnung aufgenommen werden
  • durch die Überprüfung und Stärkung der Informationsanforderungen in allen Rechtsvorschriften Gewährleistung, dass den Behörden hinreichende und angemessene Informationen übermittelt werden, sodass sie endokrine Disruptoren erkennen können
  • Beschleunigung der Entwicklung und Verbreitung von Methoden für die Gewinnung von Informationen zu endokrinen Disruptoren durch das Screening und das Testen von Stoffen

Die Informationsanforderungen gemäß der Biozidprodukte-Verordnung wurden bereits überarbeitet. An der Inkludierung von entsprechenden Gefahrenklassen in die Europäische Gesetzgebung zur Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Chemikalien sowie an einer Überarbeitung der Informationsanforderungen unter REACH wird derzeit gearbeitet.

Weiterführende Links:

Europäische Kommission: Endokrine Disruptoren - Übersicht
ECHA: Endokrine Disruptoren und unsere Gesundheit
EFSA: Endocrine active substances
AGES: Endokrin wirksame Substanzen
Umweltbundesamt: Hormonell (endokrin) schädigende Chemikalien
Bundesinstitut für Risikobewertung: Endokrine Disruptoren