UVP Kernkraftwerk Doel 1 und 2

Grenzüberschreitendes UVP-Verfahren
Laufzeitverlängerung KKW Doel 1 und Doel 2, Belgien

Belgien hat der Republik Österreich gemäß Artikel 3 und 4 des UN/ECE Übereinkommens über die Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen (Espoo Konvention) und Artikel 7 der UVP-Richtlinie Unterlagen für die Verlängerung der Laufzeit der Blöcke 1 und 2 des KKW Doel übermittelt.

Projektwerberin ist die

FPS Economy, SME’s, Self-Employed and Energy
Boulevard du Roi Albert II 16
1000 Brüssel
Belgien.

Für dieses Vorhaben, das aus der 10-jährigen Verlängerung des Betriebs der Reaktoren Doel 1 und Doel 2 und den Arbeiten zur Verbesserung der nuklearen Sicherheit im Zusammenhang mit der Verlängerung besteht, wird ein Genehmigungsverfahren mit einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach belgischem Recht und der Espoo-Konvention unter Beteiligung Österreichs durchgeführt.

Der Genehmigungsantrag enthält die Umweltverträglichkeitserklärung und weitere Dokumente in deutscher Sprache. 

Diese Unterlagen lagen von 15. April 2021 bis einschließlich 15. Juni 2021 während der Amtsstunden in den Ämtern der jeweiligen Landesregierungen  zur öffentlichen Einsichtnahme auf.

Zu den Unterlagen konnte jede Person während der Auflagefrist schriftliche Stellungnahmen an die jeweilige Landesregierung richten. Diese werden an Belgien weiter geleitet werden.

Im Auftrag des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie wurde eine Fachstellungnahme erarbeitet.

Konsultationsbericht und abschließende Fachstellungnahme betreffend UVP-Verfahren KKW Doel 1&2 Lebensdauerverlängerung (Oktober 2021)

Belgien hat auf die in der Fachstellungnahme vom Juni 2021 enthaltenen Fragen im September 2021 schriftlich geantwortet. Diese Antworten wurden ausgewertet und in einer abschließenden Fachstellungnahme, die gleichzeitig den Konsultationsbericht darstellt, zusammengefasst.

Ziel der österreichischen Beteiligung am UVP-Verfahren ist es, mögliche signifikante nachteilige Auswirkungen des Projekts auf Österreich zu minimieren oder zu verhindern.

  • Laut den aus Belgien erhaltenen Antworten werden die Ergebnisse der UVP in der ab-geänderten Version des Kernausstiegsgesetzes berücksichtigt. Es ist allerdings unklar, in welcher Weise dies geschehen wird. Weiters ist unklar, ob und wann die UVP-Ergebnisse (z.B. für Nachrüstungen) im Rahmen der Periodischen Sicherheitsüberprüfung berücksichtigt werden, bevor das abgeänderte Kernausstiegsgesetz beschlossen wird. Dies sollte geklärt werden.
  • Die WENRA veröffentlichte 2014 eine revidierte Version der Referenz Levels (RL) für bestehende Reaktoren. Eine weiterreichende Aktualisierung der RL war die Revision von Issue F, die das Konzept der Design Extension Conditions (DEC) einführt. Die aus Belgien erhaltenen Antworten lassen darauf schließen, dass die 2014 WENRA RL in die nationale Gesetzgebung aufgenommen wurde. Offen ist allerdings noch die Evaluierung, inwieweit Doel 1&2 diese Anforderungen erfüllt, da diese Evaluierung nicht vor Juni 2022 abgeschlossen sein wird.
  • Laut den aus Belgien erhaltenen Antworten wurden alle Maßnahmen des Aktionsplans für den Langzeitbetrieb LTO umgesetzt. Allerdings enthält der LTO-Aktionsplan nicht alle aktuellen Anforderungen und technisch machbaren Nachrüstmaßnahmen.
  • Es gibt einige Unfallszenarien, die die Integrität des Sicherheitsbehälters gefährden könnten, so dass große Freisetzungen möglich sind. In NEA (2020) wurde angegeben, dass in den PSA-2 Analysen für Doel 1&2 errechnet wurde, dass 40 % der Kernschmelzunfälle ein Containmentversagen (durch Durchschmelzen des Fundaments, Containment-Bypass und Ex-Vessel-Dampfexplosion) verursachen. Diese Analysen beziehen sich auf den Anlagenzustand von 2010. Die seit-dem erfolgten Sicherheitsverbesserungen und deren Auswirkungen auf die Ergebnisse der PSA sind nicht bekannt und hätten im Rahmen des UVP-Verfahrens dargestellt werden sollen.
  • Eine DEC-B Analyse wurde vom Betreiber durchgeführt, jedoch hat die Nuklearaufsichtsbehörde die Bewertung dieser Analyse noch nicht abgeschlossen. Zusätzlich wird aus den aus Belgien erhaltenen Antworten  nicht ersichtlich, ob vernünftig machbare Maßnahmen zur Vermeidung identifiziert wurden, die gegen die Konsequenzen von schwerer Brennstoffbeschädigung zur Anwendung kämen. Der Quellterm im UVP-Bericht stammt aus einem Kernschmelzunfall, für den allerdings angenommen wurde, dass die Integrität des Containments aufrechterhalten wird.
  • In den aus Belgien erhaltenen Antworten auf offene Fragen zur UVE wurde für Doel 1&2 angemerkt, dass eine Widerstandsfähigkeit gegen den Absturz eines repräsentativen Flugzeuges nachgewiesen sei. Eines der Ergebnisse der belgischen Stresstests zeigte jedoch, dass im Falle eines Absturzes eines Verkehrsflugzeuges das äußere Containment von Doel 1&2 schweren Schaden erleiden könnte. Das anschließende und sehr wahrscheinliche Versagen des Kühlsystems könnte zu einem schweren Unfall wie einem Unfall mit Brennstoffschmelze bei offenem Containment führen. Die radioaktiven Freisetzungen wären sehr hoch und würden sehr früh eintreten.
  • Es wird empfohlen, die grenzüberschreitenden Auswirkungen für einen schweren Unfall mit Versagen des Containments bzw. mit Containment-Bypass sowie für einen schweren Unfall mit einem Brennelementschaden im Lagerbecken zu berechnen, und zwar unabhängig von deren ermittelter Eintrittswahrscheinlichkeit, solange diese physikalisch möglich sind.

Fachstellungnahme UVP KKW Doel 1&2 - Juni 2021

Die Fachstellungnahme kommt zu folgenden Schlussfolgerungen:

Verfahrensaspekte der Umweltverträglichkeitsprüfung

  • Die Ergebnisse der UVP werden in der Neufassung des Kernausstiegsgesetzes Berücksichtigung finden, wie auf der offiziellen belgischen Webseite für die Öffentlichkeitsbeteiligung erläutert wird. Darüber hinaus ist jedoch nicht klar, ob und wie die Ergebnisse der UVP im Rahmen des Genehmigungsverfahrens berücksichtigt werden (z. B. für Nachrüstungen), dies vor dem Hintergrund, dass die Laufzeitverlängerung bereits 2015 beschlossen wurde und die Laufzeit mit jetzigem Stand nur noch ca. vier Jahre (bis Februar bzw. Dezember 2025) beträgt. Die Stilllegung und der Rückbau von Doel 1&2 werden einer eigenen UVP unterzogen werden.

Abgebrannter Nuklearbrennstoff und radioaktive Abfälle

  • Angaben zum erwarteten Inventar im Zeitraum 2015–2025 wurden vorgelegt, jedoch fehlen einige Information zu den benötigten Lagerkapazitäten, diese sollten im Rahmen der UVP nachgereicht werden.

Langzeitbetrieb von Reaktoren des Typs WWER-440

  • Die im Februar 2017 durchgeführte SALTO (Safety Aspects of Long-Term Operation) Mission fand Defizite im Alterungsmanagementprogramm, die auch bis zur Follow-up Mission im Juni 2019 nicht beseitigt waren.
  • Das gesamte Sicherheitskonzept von Doel 1&2 ist veraltet. Trotz umfangreicher Nachrüstungen weisen Doel 1&2 erhebliche Auslegungsdefizite auf.
  • Laut UVP-BERICHT (2021) sollen die vorgeschlagenen technischen Verbesserungen für Doel 1&2 die Unterschiede bei der Sicherheit gegenüber den neuesten DWR-Kernkraftwerken verringern. Das Verfahren zur Identifizierung der durchzuführenden Anlagenänderungen wurde in drei Schritten durchgeführt: Eine „Long List of Concerns“ wird auf eine „Short List of Main Safety Issues“ reduziert und daraus werden dann die besten technischen Lösungen umgesetzt. In den UVP-Dokumenten werden weder die beiden Listen noch die jeweiligen Auswahl-kriterien präsentiert.

Unfallanalysen

  • Die Störfallanalysen im UVP-Verfahren sollten einen möglichen Quellterm verwenden, der aus der Berechnung der aktuellen PSA-2 abgeleitet ist. In jedem Fall sollte der UVP-Bericht eine nachvollziehbare Begründung für den verwendeten Quellterm enthalten. Um die Folgen von Beyond-Design-Basis-Accidents (BDBA) beurteilen zu können, ist es notwendig, schwere Unfällen mit Containment-Versagen und/oder Containment-Bypass zu analysieren. Derartige schwere Unfälle sind für Doel 1&2 möglich.

Grenzüberschreitende Folgen

  • Ein schwerer Unfall mit Freisetzungen, die österreichisches Territorium erreichen, kann zu signifikanten grenzüberschreitenden Auswirkungen auf Österreich führen. Im UVP-Bericht werden für einen auslegungsüberschreitenden Unfall mit intaktem Containment Dosisberechnungen für die Nachbarländer Belgiens durchgeführt. Es ist jedoch nicht nachgewiesen, dass das Auftreten eines höheren Quellterms ausgeschlossen werden kann. Bei bestimmten Wettersituationen könnten auch Kontaminationen in Österreich auftreten.

Fachstellungnahme