Nationales Entsorgungsprogramm

Nationales Programm Ungarns zur Entsorgung abgebrannter Brennstoffe und radioaktiver Abfälle

Für das Nationale Entsorgungsprogramm in Ungarn wird eine strategische Umweltprüfung (SUP) nach ungarischem Recht durchgeführt (Regierungsdekret Nr. 2/2005, I.11., über die Umweltprüfung bestimmter Pläne und Programme).

Zuständige Behörde für die Ausarbeitung des Nationalen Entsorgungsprogramms und die Durchführung der SUP ist das ungarische Ministerium für nationale Entwicklung, 1011 Budapest, Fő utca 44-50, Ungarn.

Das ungarische Ministerium für nationale Entwicklung hat der Republik Österreich gemäß Artikel 7 der SUP-RL und Art. 10 SUP-Protokoll den Entwurf für das Nationale Entsorgungsprogramm und den Umweltbericht übermittelt. Zu den Unterlagen konnte jede Person während der Auflagefrist schriftliche Stellungnahmen an das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (BMLFUW) richten. Diese wurden an die ungarische Behörde weitergeleitet.

Im Auftrag des BMLFUW wurde eine Fachstellungnahme erstellt.

Wesentliche Schlussfolgerungen und Empfehlungen aus der Fachstellungnahme:

  • Im Rahmen einer SUP sollte ein Vergleich von Alternativen und Varianten erfolgen, der auf den möglichen erwarteten Umweltauswirkungen basiert. Als Alternative wird lediglich die Frage der Wiederaufarbeitung versus Direktlagerung vorgestellt. Da die erwarteten Umweltauswirkungen dieser Varianten jedoch nicht vollständig angegeben wurden, ist ein Vergleich nicht möglich. Für eine Bewertung der möglichen Betroffenheit Österreichs ist die Betrachtung möglicher schwerer Unfälle inklusive der maximalen Quellterme von großem Interesse. Soweit aus den vorliegenden Unterlagen ersichtlich, sind potenzielle Unfälle im bestehenden Zwischenlager am KKW-Standort Paks mit Auswirkungen auf österreichisches Staatsgebiet möglich. Auslegungsüberschreitende Unfälle werden im Umweltbericht nicht betrachtet. Die übermittelten Informationen im Umweltbericht erlauben daher keine Beurteilung einer möglichen Betroffenheit Österreichs.
  • Die laut RL 2011/70/Euratom, Art. 12 Abs. 1 lit. b) im nationalen Entsorgungsprogramm anzugebenden Zwischenetappen und klaren Zeitpläne sind bezüglich der Zwischen- und Endlagerung der abgebrannten Brennelemente bzw. hoch radioaktiven Abfälle aus der Wiederaufarbeitung unvollständig bzw. nicht vollständig nachvollziehbar. 

  • In Ungarn ist seit 1997 ein Zwischenlager für abgebrannte Brennelemente am KKW-Standort Paks (KKÁT) in Betrieb. Das technische Konzept des Zwischenlagers, ein erweiterbares modulares Blocklager, wird im Nationalen Programm kurz beschrieben. Ob dieses Zwischenlager, welches vor 20 Jahren errichtet wurde, die modernen Anforderungen an die Zwischenlagerung von abgebrannten Brennelementen bzgl. eines ausreichenden Schutzes gegen extreme äußere Einwirkungen und Verzicht auf aktive Systeme erfüllt, wird nicht dargestellt. Die aus wirtschaftlichen Gründen durchgeführte und geplante Kapazitätserweiterung der Module des KKÁT führt zum Abbau von vorhandenen Sicherheitsmargen. Eine Begründung dafür, dass die Verdichtung der gelagerten Brennstäbe ohne Verringerung des Sicherheitsniveaus erfolgen kann, wird nicht gegeben.

  • Für Österreich ist es von Interesse, dass abgebrannte Brennelemente und radioaktiver Abfall sicher entsorgt werden. Dies muss auch bei einer Entsorgung in einem anderen Staat als dem Verursacherstaat nachweislich sichergestellt werden. Ein Nachweis für eine sichere Behandlung in der Wiederaufarbeitungsanlage Mayak wurde nicht vorgelegt. Auch aktuell kann die Anlage nicht nachweisen, dass sie keine Umweltgrenzwerte überschreitet, wie eine unabhängige Untersuchung der Schweizer KKW-Betreiberfirma Axpo ergeben hat. Insgesamt sind aufgrund der hohen Umwelt- und Proliferationsrisiken aus sicherheitstechnischer Sicht Wiederaufarbeitung und Partitionierung & Transmutation (P&T) als Option für den Umgang mit radioaktiven Abfällen abzulehnen.

  • Die in Ungarn durch die Freigabe von gering radioaktiven Stoffen zulässige Strahlenbelastung von 30 µSv/a übersteigt die international als vernachlässigbar angesehene Dosis von 10 µSv/a und ist unter Strahlenschutzgesichtspunkten auch nicht mit den internationalen Vorgaben vereinbar. Dem Umweltbericht sind keine Untersuchungen der durch die Freigabe verursachten Auswirkungen auf Mensch und Umwelt zu entnehmen. Die Verbringung von in Ungarn freigegebenen Stoffen in die Republik Österreich ist gegenwärtig ohne Kontrolle und Einschränkung möglich. Dadurch ist eine Überschreitung des in Österreich für die Freigabe geltenden Richtwerts der RL 2013/59/Euratom von 10 µSv/a nicht auszuschließen.

Antworten und Ergänzungen Ungarns zur österreichischen Fachstellungnahme Juni 2016

Von ungarischer Seite wurden im Juni 2016 zwei Dokumente mit Antworten und Ergänzungen zur österreichischen Fachstellungnahme übermittelt.

Abschließende Fachstellungnahme und Konsultationsbericht Juli 2016

Die im Zuge der Konsultation von Ungarn übermittelten Antworten zur Fachstellungnahme wurden in eine abschließenden Fachstellungnahme und einem Konsultationsbericht bewertet.

Wesentliche Schlussfolgerungen aus der Fachstellungnahme und dem Konsultationsbericht:

  • Zurzeit erfolgt eine Neubewertung des Standorts und des Zwischenlagers in Hinblick auf Extremereignisse. Dabei wird auch ermittelt, welche Reserven/Sicherheitsmargen zusätzlich zum Schutz gegen Auslegungsstörfälle vorhanden sind.. Informationen zu den Ergebnissen der Neubewertung sowie zu den durchzuführenden Verbesserungsmaßnahmen sollten im Rahmen künftiger Treffen unter dem bilateralen „Nuklearinformationsabkommen“ vorgelegt werden.
  • In den Lagerbecken der vier Reaktoren Paks 1-4 ist ein auslegungsüberschreitender Unfall mit Freisetzungen von Cs-137 mit mehr als 10.000 TBq möglich. Diese Freisetzungsmenge ist in der gleichen Größenordnung wie jene Menge, die während des Unfalls in Fukushima 2011 freigesetzt wurde. Auch wenn die Wahrscheinlichkeit für einen derartigen Unfall sehr gering ist, sollten weitere Minderungspotenziale identifiziert werden. Ein derartig schwerer Unfall hätte – unter bestimmten Wetterbedingungen – gravierende Auswirkungen auch auf das Staatsgebiet Österreichs.

  • Das Zwischenlager am Standort Paks ist nicht direkt vor einem Flugzeugabsturz geschützt, da die Wahrscheinlichkeit für einen unfallbedingten Absturz als gering eingeschätzt wurde. Der Schutz vor einem gezielten Absturz eines Verkehrsflugzeugs soll durch ein Abfangen durch Jagdflugzeuge gewährleistet werden. Abschätzungen zeigen, dass diese Gegenmaßnahme möglicherweise keinen ausreichenden Schutz liefern kann.

  • Da die Wiederaufarbeitung von Brennelementen noch immer eine Option ist, müssten bei Forschung und Entwicklung für die Endlagerung auch die Eigenschaften von möglichen Abfällen aus der Wiederaufarbeitung berücksichtigt werden.

  • Aus den Antworten ist zu entnehmen, dass das geplante Alterungsmanagement nicht ausreichend ist. Alterungsmechanismen an den abgebrannten BE werden nicht betrachtet. Insofern ist nicht sichergestellt, dass die abgebrannte BE nach der langen Lagerdauer noch handhabbar sind.

  • Durch den in Ungarn für die Freigabe gering radioaktiver Stoffe in den konventionellen Stoffkreislauf festgelegten Wert von 30 μSv/a kann es nach einer Verbringung dieser Stoffe nach Österreich zu nach österreichischer Strahlenschutzverordnung unzulässigen Strahlenbelastungen von Personen aus der Bevölkerung kommen.

  • Die Empfehlungen der IRRS-Mission zur Verbesserung der Regulierung sollen laut Antwort der ungarischen Seite bis 2018 umgesetzt werden. Es wird empfohlen, im Rahmen künftiger Treffen unter dem bilateralen „Nuklearinformationsabkommen“ die Ergebnisse der Umsetzung der IRRS-Empfehlungen vorzulegen.

  • Allfällige Kostensteigerungen oder unerwartet auftretende Zusatzkosten, die erst nach Ende des Betriebs des Kernkraftwerks Paks auftreten, stehen in der letztendlichen Verantwortung des Staates Ungarn

  • Ungarn hat bereits auf Basis zweier Abkommen mit der Sowjetunion bzw. der Russischen Föderation abgebrannte Brennelemente zur Wiederaufarbeitung in die Anlage Mayak exportiert. Für mögliche weitere Exporte von abgebrannten Brennelementen aus dem geplanten KKW Paks 5-6 wurde 2014 ein weiteres Abkommen mit Russland geschlossen, das unter die Bestimmungen der RL 2011/70/Euratom fällt. Ein Nachweis für die sichere Behandlung in der Wiederaufarbeitungsanlage Mayak wurde bislang nicht vorgelegt.

Beschluss Entsorgungsprogramm und Umweltbericht (deutsche und ungarische Fassung)

Ungarn übermittelte nunmehr Österreich gemäß Art. 9 SUP-RL und Art. 11 SUP-Protokoll das beschlossene Programm und den endgültigen Umweltbericht.

Die Unterlagen lagen von 18. April 2017 bis inklusive 31. Mai 2017 beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, Abt. I/1, Stubenbastei 5, 1010 Wien, Zimmer Nr. 119,  zur Information auf. In die Unterlagen konnte jede Person Einsicht nehmen.

Verfahrensrelevante Dokumente

Programmentwurf

Strategische Umweltprüfung

Ungarisches Amtsblatt Entsorgungsstrategie Arbeitsübersetzung 2015

Fachstellungnahme Österreich Mai 2016

Antworten Ungarn zur Fachstellungnahme - Juni 2016

Antworten Ungarn zur Fachstellungnahme

Abschließende Fachstellungnahme und Konsultationsbericht Juli 2016

Fachstellungnahme und Konsultationsbericht

Beschluss Entsorgungsprogramm und Umweltbericht

Entsorgungsprogramm Ungarn August 2016 (deutsche Übersetzung)

Umweltbericht zum Entsorgungsprogramm August 2016 (deutsche Übersetzung)

Entsorgungsprogramm Ungarn August 2016 (ungarische Fassung)

Umweltbericht zum Entsorgungsprogramm August 2016 (ungarische Fassung)